Die Müller-Steinersche Bauernchronik
"Nachstehende Merkwürdigkeiten sind aus einer alten, von Ehrwürdigen und wahrhaftigen Männern geschriebenen Chronika abgeschrieben worden"
Mit dieser Einleitung beginnt der Chronist Johann Georg Müller 1796 seine Aufzeichnungen. Ihm lag eine alte Chronik vor, aus der er verschiedene Begebenheiten abschrieb, bevor er seine eigene, die sogenannte Müller-Steinersche Chronik begann.
Wo diese sich heute befindet, ist nicht bekannt. Als der Lehrer Gustav Eichhorn 1901 nach Eyba kam, fand er diese Chronik noch vor und hat sie 1918 komplett wort- und buchstabengetreu abgeschrieben. Diese Abschrift war dann die Grundlage zur Weiterführung der Eybaer Chronik, zunächst bis ca 1944 durch den Lehrer Gustav Eichhorn, dann bis heute von Otto Müller.
Hier einige interessante Auszüge aus dieser Chronik:
Schlossbau
"Peter von Könitz, damaliger Amtmann zu Denneburg über Waltershaußen, hat das Adliche Haus allhier erbaut Anno 1555."
Gerichtsfälle
"7. Aug. 1565 Hans (Anton) Säuberlich mit Zangen gezwickt und gerädert worden."
Ehe es zur Hinrichtung kam war es damals üblich, das Gutachten einer juristischen Fakultät einzuholen, was auch hier geschah:
"...Uf überschickter guethlicher und peinlicher aussage des gefangenen Antonien Seuberlich sprechen wir vor Recht, wo ehr uf sollicher seiner urgicht, so Ihr uns zusendet, vor offentlichen gericht freiwillig verharret und bestehet, so wirdet Ehr als ein Straßenreuber und mörder mit dem Rade vom leben zum Tode billich gestrafet und gerichtet.
Von Rechts wegen. Zu Urkunde mit unserm der Juristen Facultet Insiegill besiegelt.
Decant und andere Doctores der Juristen Facultet der löblichen Universitet zu Jehne.
Jena den 4. Novris 1564."
Anton Säuberlich gehörte einer Familie an, die erst wenige Jahre zuvor (zwischen 1554 und 1564) nach Eyba gezogen war und welche den Ort nach 1564 wieder verlassen hat. Säuberlich muß sein Opfer auf qualvolle weise umgebracht haben, weil man auf die Strafe des Rades und nicht auf Enthauptung erkannte. Zudem wurde auch noch "mit Zangen gezwickt". Der Mörder sollte ähnliche Qualen erleiden, wie er sie seinem Opfer beigebracht hatte.
"20. Sep. 1591 Wolf Leopold (Leupold) von Kaulsdorf ist mit dem Schwert gerichtet worden."
Weshalb Wolf Leupold hingerichtet worden ist, bleibt im Grunde rätselhaft. Aufgrund der kurzen Angaben des damaligen Gerichtsherren Hans Adam von Könitz kann man aber folgendes vermuten:
Wolf Leupold führte den Beinamen "der Teufel". Wahrscheinlich hat man mit diesem Beinamen einen bösen Verdacht ausgedrückt, dass nämlich Wolf Leupold Macht vom Teufel habe. Er lebte in Feindschaft mit einem anderen Kaulsdorfer Einwohner namens Leonhard Weber und hatte gegen diesen einen Fluch ausgesprochen. Als sich diese Verwünschung erfüllte, bestimmt ohne Zutun des Wolf Leupold, erhob Weber Anklage. Leupold, welcher sicher wusste, dass eine solche Anklage den Tod bedeuten kann, floh und wurde am 9. Mai 1591 in Lobenstein gefangen und am 21. Mai dort abgeholt und nach Eyba gebracht. Hier im Gefängnis wurde er sicherlich gefoltert und hat gewiss alles zugegeben was man ihm zur Last legte. Bemerkenswert ist auch, dass der Ankläger, Leonhard Weber, unüblicher weise sämtliche Gerichtskosten übernahm.
Pest
"Anno 1630 u. 31 ist zwei Jahre die Wehklage allhier gehöret worden, darauf sind gefolget: Krieg, wodurch viele junge Mannspersonen sind ausgehoben worden, dann zwei Jahr die Pestilenz und zwei Jahr die Ruhr, dadurch ist dieses Dorf so ruinieret, daß Anno 1640 nicht mehr als ein Paar Eheleute übrig geblieben sind. Man sagt, jene Pestilenz-Toten seien neben dem Gottesacker in eine große Grube geworfen und mit Kalk überschüttet worden."
Bei Straßenbauarbeiten am Friedhof wurde in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das erwähnte Pestgrab zum Teil freigelegt und damit sozusagen "archäologisch" nachgewiesen.
Straßenbau
"Die hiesige Gemeinde mußte vorzeiten die hier vorbeigehende völlig gangbare Landstraße bessern und bauen vom oberen Rothenbachsbrun, dem Schrankenackers Sandstein gegenüber, bis an den Dorbachsgrund unter Geschwende. Davor waren sie auch in Saalfeld aller Zoll und Geleite frei."
Amoklauf in Eyba?
Anno 1626 ist Wilhelm Lipfert aus Reichmannsdorf beim Gemeinde-Bauern-Bier erschossen und auf dem hiesigen Gottesacker begraben worden. Anno 1626 d. 22. Juni ist Klaus Sorge aus Meura bei dem oberen Kühnbaume an der Straße bei der dürren Wiese erschossen, gerichtlich aufgehoben und auf dem hiesigen Gottesacker begraben worden. Ingleichen ist dieses Jahr ein Rotgerber aus Saalfeld namens Christoph Liebe auf dem Anger, da jetzund der Teich ist, erstochen worden, auf einem Revers nach Saalfeld gebracht und gerichtlich aufgehoben worden.
Anmerkung des Chronisten am Rande der Seite:
"ebenfalls am 22. Juni!"
Erste Pockenimpfung in Eyba 1801
"Auch ist in diesem Jahre 1802 unser Hr. Pfarrer H. Joh. Michael Chr. Fröbel von hier nach Griesheim gezogen und dort seinem H. Schwiegervater beigesetzt worden. Er hatte im letztvergangenen Jahre meinem Mädchen zuerst und dann noch etlichen Kindern die Kuhblattern oculiert, welche erst bei uns bekannt wurden, und hatte sich dadurch so beliebt gemacht, daß dessen Andenken noch lange bei uns im Segen bleiben wird."
Ein Komet
Gegen die Mitte des Septembers (1811) ließ sich ein neuer Stern am Himmel sehen. Er hatte einen langen splittrigen Strahl. In älteren Zeiten nannte man einen solchen Stern einen Besen oder Pfauenschwanz und wollte daraus Gottes Strafgericht durch Krieg oder Hunger über die Menschen weissagen. In unseren neuen aufgeklärten Zeiten aber halten wir ihn für einen Comet-Stern, welcher aus unermeßlichen Höhen seine Bahn nahe um unseren Erdball durchwandert und vielleicht wohl in hundert und mehreren Jahren uns nicht wieder zu Gesicht kommt. Er ließ sich erst nahe am vorderen Handrade des Himmels-Wagens sehen, rückte dann alle Abende weiter vor, der Deichsel zu, machte dann links um einen Bogen, immer weiter rüber, bis er endlich gegen Mitte des Dezember sich nach Südwesten zu in der Milchstraße verlor. Gott, wie unermeßlich groß ist deine Schöpfung! Was sind wir schwache Erdenbewohner gegen ein zahlloses Heer von Welten?
Es handelte sich um den Komet "Flaugergues" (C/1811 F1) der über mehr als acht Monate mit bloßem Auge gesehen werden konnte. Im Oktober 1811 erreichte er seine größte scheinbare Helligkeit. Der Schweif war ca 15 Mio. Km lang und überdeckte 90% des Himmels.
Das "Jahr ohne Sommer" 1816
"Allein eine neue Bekümmernis drängte sich in unsere Seele. Mißwachs und Teuerung wurden durch die fast täglichen Regengüsse über ganz Deutschland verbreitet und die dadurch angeschwollenen großen Wasserflüsse haben ganze Auen überschwemmt und verwüstet. Daher das Getreide immer teurer wurde... Gegen Ende des Oktobermonats wurden wir erst mit der Ernte fertig. Das Erntefest wurde am 3. November gefeiert. Auf dem Walde ist vieles Getreide nicht reif und nicht eingeerntet worden. Mit der Herbstsaat wurden wir auch nicht fertig und es ist noch viel Wintersaat im Monat Januar 1817 gesät worden. Auch hat man draußen in Franken noch in den schönen Tagen im Monat Januar Hafer eingeerntet. Unser Gerichtsherr hat am 20. Januar 1817 noch den großen Kaulacker mit Weizen und das Weidenstück mit Roggen säen lassen..."
Der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora am 10. April 1815 war Ursache für eine weltweite Abkühlung des Klimas und damit verbundener Missernten, besonders im Jahre 1816.
Brand des herrschaftlichen Gewächshauses
An einem Sonntage, den 2. Juli 1826 als der Vormittagsgottesdienst beendigt war, sah man von allen Seiten Gewitterwolken aufsteigen. Auch stand in der Gegend nach Wellenborn und der dasigen Heide zu schon ein Gewitter. Aber ehe noch eine halbe Stunde vorüberging, so zog sich von allen Seiten her eine starke Gewittermasse über unserem Haupte zusammen. Die hellen Blitze, begleitet mit entsetzlichen Donnerschlägen, schleuderten unaufhörlich auf unsere Erde. Endlich folgte ein Regenguß, welcher aber kaum einige Minuten dauerte. Fürchterlich gewaltige Donnerschläge krachten über unserm Haupte, so daß der Erde Grund unter unsern Füßen erschütterte. Auf einmal quoll eine dicke starke Rauchwolke in der Mitte unseres Dorfes auf. Ach Gott! Der Feuerruf erschallte. Der Blitz hatte in das herrschaftliche Garten- und Gewächshaus eingeschlagen und die auf demselben Boden befindlichen vielen Fenster und Glasbeetstrohdecken waren augenblicklich in Brand geraten. Den Gärtner in seiner Stube hatte der Blitzstrahl getroffen, so daß er betäubt herunter in das Schloß getragen werden mußte, aber bald wieder kuriert worden ist. Das Feuer aber schwoll unter dem Ziegeldach des Gartenhauses zwischen jedem Sparren heraus wie ein starkes Backfeuer. In aller Eile wurde unsere neue Feuerspritze herbeigeschafft. Alles war eilsam geschäftig. Selbst unser hochwohlgeborener Herr Kammerherr und Major von Fischern machten die geschwindigsten, tätigsten Anstallten. Unser Herr Pfarrer Jahn haben selbst das erste Wasser auf seinem Rücken herbeigetragen, und unter Gottes gnädiger Leitung gelang es uns durch unsere Löschmaschine die Flammen in dem ersten Hause zu dämpfen. Das Dach brach zwar hinein; denn alle Ziegellatten und einige Sparren waren entzwei gebrannt, aber das Säulenwerk ist stehen geblieben, obwohl manches ruinieret war und ausgetauscht hat werden müssen. Gott allein gebührt die Ehre, der unsere Anstalten und Mühe gelingen ließ und dem Winde wehrte, daß derselbe, obwohl vorher stark gewütet hatte, auf einmal ruhig wurde. Denn dieses brennende Haus steht zwischen zwei Scheunen und ein einziger Windstoß, er mochte kommen von welcher Seite er wollte, würde alle unsere Löschanstalten vereitelt haben. Und wenn einmal das Feuer noch ein Gebäude ergriff, so würde wahrscheinlich das halbe Dorf verloren gewesen sein. Unseres Dorfes Nachbarn, Arnsgereuther und Lositzer waren geschwind herbeigeeilt und uns in unserer Feuersnot treuliche Dienste geleistet. Auch kamen nacher noch eine Menge Menschen aus allen Dörfern von allen Seiten herbei. Die Reschwitzer und endlich auch die Braunsdörfer mit ihrer Feuerspritzen kamen herbei. Jedoch das Feuer war, ehe sie kommen konnten, schon gelöscht.
Das herrschaftliche Gärtner- und Gewächshaus befand sich da, wo heute das neue Feuerwehrhaus steht.
Ein unfrankierter Brief - warum Eyba im ersten Weltkrieg im Dunkeln saß
Das Jahr 1919 brachte auch unserem Dorfe das lang ersehnte elektrische Licht. Bereits im Winter 1912/13 waren in dieser Hinsicht die ersten Schritte geschehen.
Den kommenden Geschlechtern mag es wunderlich vorkommen, daß Eyba, welches so nahe bei Saalfeld liegt, seinen Strom von Probstzella bekommt. Dies zur Nachricht: Im Jahre 1909(?) (1910) hatte das Probstzellaer Werk Knobelsdorf angeschlossen. Seitdem nun die dortigen Bauern die bequeme Betriebskraft hatten, wünschten sich auch die Eybaer diese Annehmlichkeit. Es hatten aber Eyba und Knobelsdorf einen gemeinsamen landwirtschaftlichen Verein, Vorsitzender Landwirt Albin Widuwilt in Knobelsdorf. Dieser sprach: "Wir könnten den Itting (Besitzer des Elektrizitätswerkes) in Probstzella mal nach Eyba einladen, daß er in einer landwirtschaftlichen Versammlung einen Vortrag hält. Vieleicht baut er dann nach Eyba." Gut. Widuwilt schreibt einen Brief an Itting und ladet ihn ein, Sonntag den ..? Nachmitt. in Weidermanns Gasthaus einen Vortrag zu halten. Er hat keine Briefmarke. Da er aber mit dem Inhaber der Posthilfsstelle, Gastwirt Adolf Bärschneider uneinig ist, geht er nicht zu diesem, um eine Marke zu kaufen, sondern wirft mit dem Brief einen Zehner in den Briefkasten. Der Briefträger übersieht den Groschen und der Brief kommt unfrankiert in Probstzella an. Itting hat sein Personal angewiesen, unter keinen Umständen unfrankierte Postsachen anzunehmen. Also geht der Brief über Erfurt zurück nach Knobelsdorf.
Am besagten Sonntag sitzen wir Mitglieder vom landwirtschaftlichen Verein beim Weidermann und warten auf Itting. Als er immer nicht kommt, sagt man: "Ach, der hat gewiß kein Interesse daran, Eyba zu bauen". Sagt der Wirt Weidermann: "Soll ich mal das Saalewerk (Saalfeld) anrufen?" Er geht ans Telephon: " Herr Ingenieur Ihngen dort? - Ach hier sitzt der landwirtschaftliche Verein und hat keinen Vortragenden. Würden Sie mal kommen?" - "In einer halben Stunde bin ich oben." Ihngen kommt mit dem Auto angedonnert und hält einen schwunghaften Vortrag. Am 21.2.13 hält er nochmals Vortrag in der Eybaer Gemeindeversammlung und der Vertrag kommt zu stande u. wird gehörig begossen. Am 14.3.13 wird er unterschrieben und das Saalewerk beginnt die Linie abzustecken. Inzwischen erfährt Itting in Probstzelle, daß ihm etwas entgangen ist. Er wendet sich ... an die Meininger Regierung und verlangt, daß die Baukonzession für die großen Meininger Ortschaften hinter Eyba nur ihm, dem Meininger Landeskinde ... erteilt werde. Die Meiningische Regierung gibt dem statt, und das Saalewerk läßt erklären, wenn es die großen Waldorte nicht bekommt, so müsse es von Eyba ganz absehen. Da saßen wir. Nun gings wieder an Itting. Am 4.12.13 kam mit diesem ein Vertrag zu stande. Im Sommer 1914 sollte gebaut werden. Schon war die Linie abgesteckt. Da kam der Krieg. Der Bau blieb liegen. Wir aber sollten erfahren im Kriege, welch eine edle Himmelsgabe das Licht ist, auch das künstliche. Als nämlich das Petrolium knapp wurde in Deutschland, erhielt jede Haushaltung ein bestimmtes Maß, hier in Eyba pro Haushalt und Monat ein halbes Liter. ....
Am Donnerstag nach Ostern 1919 erschienen in Eyba die Leute von Itting. Das Bauen begann. ...Am 6. August brannte zum ersten male das elektrische Licht auf der Schule. Ehe die Monteure den Ort verließen, wurde ihnen auf dem Höferschen Saale ein kleiner Festabend gegeben. Auf Anregung des Schulteißen A. Häußer hatten die Bauersfrauen des Ortes Kuchen gebacken, und eine feierliche Kaffeetafel mit anschließendem Tänzchen (21.8.19) vereinte Gemeinde und Monteure.
Vorbei war die Zeit, wo ein halbes Liter schlechtes Kriegspetrolium sein stinkendes, rußendes Licht auf einen Monat verteilen mußte. ...
Alle Rechte vorbehalten, Transkript und Kommentar: Reinhardt Müller (2014), Fotos Reinhardt Müller
Die Glocken der Marienkirche zu Eyba
Auszüge aus der Eybaer Chronik (Chronist: Lehrer Gustav Eichhorn)
17.6.1917
Heute abend werden unsere lieben Kirchenglocken zum letzten Male zusammen klingen. Morgen in der Frühe wird eine davon zerschlagen und fortgeschafft. Ehe dieser Krieg freilich alle wird, wird auch die andere noch dran glauben müssen. Und auch die übrigen Zinnpfeifen in der Orgel, voraussichtlich auch der Organist. (Anm.: G. Eichhorn war Organist)
Die Glocke muß fort! Krieg ist verloren!
Am Sonntage den 17. Juni 1917 wurde es den Eybaern zur unumstößlichen Gewißheit, daß der Krieg verloren sei. Am Abende fand nämlich der Abschiedsgottesdienst für unsere zweite Glocke statt. Vor Beginn der Andacht läuteten sie noch einmal zusammen. Da sahe man Leute zur Kirche gehen, die man viele viele Jahre nicht dort gesehen hatte. Das Trostlied, welches der Pfarrer gewählt hatte, „Warum sollt ich mich denn grämen“, klang wie Hohn und die Trostrede, die die Sache etwas leicht nahm, zündete nicht in dem Segen. Nach beendigtem Gottesdienste wurde(n) beide Glocken nocheinmal, zum letzten Male, in einem langen Geläut zusammen geläutet. Die Kirchgänger standen dabei auf dem Friedhofe. Eins sah dem anderen ins Gesicht und den Männern, grau und alt, liefen die Tränen über die Wangen.
(Bei den ersten Siegen -wir erfuhren sie meist erst einen Tag später- war der Geistliche jedesmal zum Läuter, dem Schmied Ernst Bergner, geeilt und hatte Siegesgeläut angeordnet. Das ließen sich hier die Leute nicht lange gefallen. Sie sprachen: „Jedesmal denkt man bei diesem Geläute, jetzt liegt unser Junge draußen tot oder verwundet ohne Hilfe!“ Sie sagten dem Schmied, „es wird nicht wieder geläutet“)
18.6.1917
Morgens 7 Uhr fiel der Hammerschlag, der unsere kleine Glocke zertrümmerte. Der Scharfrichter, der die Unschuldige hinrichtete, besah sich die Masse und meinte, sie enthalte viel Silber, so eine würden wir nicht wieder erhalten. Das glauben wir alle. Wir werden so manches nicht so wieder erhalten. Am Sonntag Abend fand eine kurze Andacht statt zum Abschiede. Da sagte der Prediger u.a. der Dreißigjährige Krieg habe so lange gedauert und habe den Ort fast vernichtet, aber die Glocken habe er doch verschont.
22.6.1917
Dem derzeitigen Schultheiß gebührt das Verdienst, unserem Dorfe die alte große schöne Glocke erhalten zu haben, da anders der Beauftragte, ein Angestellter einer Apoldaer Glockengießerei, diese und nicht die kleine genommen hätte. Aber dem eifrigen Bitten des Herrn Albert Häußer, der seinen Bitten einen gastralen und einen pekunialen Nachdruck gab, gelang es, den Mann umzustimmen.
23.6.1917
Gestern nun hat der Vorgenannte (Albert Häußer) die zerschlagene kleine Glocke in einen Sack gesteckt und sie auf einem Handwagen nach Rudolstadt zur Ablieferung gefahren. Sie hat 117 Kilogramm gewogen.
27.6.1917
Heute hat die Schmieds Anna die Prospektpfeifen in einen Sack gesteckt und nach Leutenberg geschafft, sie wogen 26 Kg.
1926
Im Frühjahr 1926 machte er (Anm.: Pfr. Hohlweg aus Hoheneiche, welcher zu der Zeit als Vakanzverwalter für Eyba zuständig war) ) den Vorschlag, die fehlende 2. Glocke zu ersetzen. Der Kirchenvorstand willigte nicht nur ein, sondern ging noch darüber hinaus und beschloß für die neue Glocke und auch für die alte das Patentläutesystem anzuschaffen, damit ein zweiter Läuter erspart würde. Der Auftrag wurde der Firma Franz Schilling Sohn in Apolda erteilt. Am 14. Mai ist die neue Glocke gegossen worden. Am 22. Mai kam sie in Eyba an und wurde aufgehängt. Am 6. Juni war in der festlich geschmückten Kirche Glockenweihe, aber auch zugleich Abschiedspredigt des Pfarrers Hohlweg. Kurz vorher bei einer Beerdigung wurden die beiden Glocken zum ersten Male zusammen geläutet. Da gab es für die Eybaer eine unangenehme Überraschung. Weder die neue Glocke, noch das neue Läutesystem befriedigten. Die neue Glocke hat den Ton d und müßte zum Ton b der alten Glocke gut klingen. Aber das d hat einen kurz abgerissenen, scharfen Klang ohne Fülle und sticht sehr ab gegen den Wohlklang der alten Glocke. Das neue Läutesystem erspart zwar einen zweiten Läuter, läßt aber nicht das feierlich langsame Läuten zu, wie wir es von früher her gewohnt waren.
Die neue Glocke wiegt 212 Kilogramm und kostet 593 M 60 Pf, nämlich pro kg 2,80 M. Die beiden neuen Aufhängungen kosten 350 Mark. Nachstehend eine Aufstellung der Gesamtkosten und ihrer Aufbringung:
Ausgabe 1041,15
Glocke 593,60; 2 Läutesystem 350,00; Fracht bis Saalfeld 10,85; Fracht bis Eyba 8,00; dem Monteur 42,00; dem Zimmermann 20,50; dem Hilfsarbeieter 16,20
Einnahme 1041,15
Tellersamml. Familienabend 46,50; Erste Haussammlung 341,00; Zweite 200,00; Zuschuß der Gemeindekasse 100,00; Zuschuß der Landeskirchkasse 100,00, Ortskirchkasse 253,15
1942
Über die Abgabe der 1926 gegossenen Glocke gibt es keine Aufzeichnungen. Der Ortschronist Gustav Eichhorn wohnte nicht mehr in Eyba und sein Nachfolger, Otto Müller, noch nicht.
(R. Müller Juni 2024)
Ein Aufsatz des Oberlehrers und Eybaer Chronisten Gustav Eichhorn über das Schlossarchiv (1944)
Zur Geschichte des Eybaer Archivs.
Als die Herren von Könitz in Eyba abgewirtschaftet hatten, war der letzte Besitzer heimatlos und zog nach Saalfeld ins Armenhaus, wie mündliche Überlieferung im Dorfe berichtet. Das war 1770/80. Weil aber Anton Ludwig Carl von Könitz keinen festen Wohnsitz mehr hatte, konnte er das Archiv nicht mitnehmen und überließ es dem neuen Besitzer, dem Herren von Stocmeier. Von dessen zwei Kindern starb der Sohn in jungen Jahren, und die Tochter heiratete 1803 einen Herrn von Fischern. So kam das Archiv an die v. Fischern. Um 1895 hatten auch diese abgewirtschaftet, und 1897 kaufte der schwarzburgische Staat das Rittergut als Fideikommiß. Das Archiv blieb auch noch weiter im Schloß, da das Gebäude leer stand bis auf einen Waldhüter, welcher darin seine Wohnung hatte. Am ersten Kirmesabend des Jahres 1900 brannten die Nebengabäude des Schlosses ab, die Scheunen und Ställe. Das Schloß blieb erhalten. Aber die Fürstl. Regierung ordnete nunmehr die Überführung des Archivs in das Landesarchiv zu Rudolstadt an. Man schätzte, daß es einen Leiterwagen voll geben würde. Der Bauer Julius Lutsche stellte den Wagen mit zwei Pferden. Sein Sohn, der jetzt noch lebende Altbauer Amandus Lutsche, leitete das Fuhrwerk. Als man im Schloßhofe den hohen Kastenwagen voll geladen hatte, waren immer noch Aktenbündel übrig. Deshalb setzte man noch Bretter auf. Auch dann noch trug der Wagen eine gehäufte Fuhre. Beim Fahren fiel unterwegs zuweilen ein Bündel herunter und wurde wieder hinaufgeworfen. Um einzelne Blätter, die der Wind davonführte, kümmerte man sich nicht. Im Rudolstädter Archiv wurden die Sachen abgeladen und später dort durchgesehen. Was nicht wertvoll war, wurde vernichtet. Das meiste waren Gerichtsprotokolle. „Und“, so sagte mir 1917 Herr Archivrat Lampert, dem damals das Rudolstädter Landesarchiv unterstand, „es hat doch keinen Zweck, zu wissen, daß in Eyba einmal einer eine Mistgabel gestohlen oder daß ein Dienstknecht eine Dienstmagd geschwängert hat“. Ich bekam damals (1917) auf meine Bitte um Akten aus Eyba ein einziges bescheidenes Aktenbündel vorgelegt und konnte nicht glauben, daß dies alles Wertvolle sei. Erst später, als für die Leitung des Landesarchivs hauptamtliche Kräfte angestellt waren, zeigte es sich, daß von dem Eybaer Archiv weit mehr noch vorhanden war, nämlich Gerichts- und Handelsbücher bis zurück zum 30.jähr. Krieg. Aber bis zu diesem Krieg fehlt alles, was älter ist, z.B. alte Urkunden in Urschrift etc. Diese befinden sich seit Beginn dieses Jahrhunderts im Heimatmuseum zu Saalfeld. Wie sie dorthin gekommen sind, mag hier erzählt werden. Unter den mancherlei Angehörigen des Geschlechtes derer v. Fischern, die hier auf dem Eybaer Schloß für länger oder kürzer gewohnt haben, war auch ein gewisser Hans v. Fischern, Sohn des Gerichtspräsidenten August v. Fischern. Dieser Hans v. Fischern ist ein Mensch in jüngeren Jahren gewesen. Er hatte Forstwirtschaft studiert, war aber sehr verschwenderisch gewesen, hatte nichts rechtes gelernt und lebte nun ohne Beschäftigung, ohne Vermögen, ohne Einkommen auf Schloß Eyba. Von seinen Verwandten wurde er zwar unterstützt, aber nur mäßig, und das Wenige, was er bekam, wurde schnell wieder sinnlos ausgegeben, meist für Alkohol. Dieser Hans v. Fischern, im Dorfe nur kurz „der Baron“ genannt, verbrachte seine Zeit damit, das Archiv zu durchstöbern und hatte herausgefunden, daß sich da manches zu Geld machen ließe. Er hat also Akten und Urkunden verkauft. Ein Beispiel: Sein Vater war ein intimer Freund des Herzogs Bernhard Erich von Meiningen gewesen. Als dann später der Herzog Georg II eine zweite Heirat mit einer Sängerin (Ellen Franz) einging, hat der alte abgedankte Herzog Bernh. Ernst seinen Zorn und Groll in Briefen an seinen Freund August von Fischern kundgetan. Hans v. Fischern hatte nun diese Briefe im Archiv zu Eyba gefunden und sich wohl damit wichtig gemacht. Herzog Georg mußte befürchten, daß dieser verbummelte, mittellose, trunksüchtige Mann die Briefe in fremde Hände verkaufen könnte. Da bot er dem Hans v. F. gegen Herausgabe der Briefe eine Anstellung am Amtsgericht in Saalfeld an. Das Geschäft kam zustande. Georg II erhielt die Briefe und Hans v.F. bekam die Anstellung als Amtskopist. Im Jahre 1897 ist er als letzter derer v. Fischern aus dem Eybaer Schloß ausgezogen und hat den ältesten und wertvollsten Teil des Archivs mitgenommen. Der Bauer Adolf Schlegel hat ihn gesehen bei seinem Auszug, einen vollbeladenen Handwagen hinter sich herziehend, auch unter seinem Arm noch ein dickes Bündel Schriften. Auch hier fand (man) später noch verwehte Blätter am Waldrand. In Saalfeld fing Hans v.F. das Verkaufen von Urkunden von neuem an, bzw. er setzte es fort. Bürgerschullehrer Valentin Hopf, schon damals die Seele des neugegründeten Heimatmuseums, erfuhr, daß Hans v.F. Urkunden dem Kaufmann Max Anschütz verkauft habe. Er begab sich dorthin, und sah solche. Es sollen sehr alte gewesen sein, wie er mir später erzählte. Er sah die Gefahr, die hier vorlag, suchte den Herrn Baron auf und fragte ihn, wieviel er für den ganzen archivalischen Besitz haben wolle. Hans v.F. verlangte glatt 1000 M, mit Worten eintausend Mark. „Da ging ich“, erzählte mir, dem Schreiber dieses, Kollege Hopf, „zu meinem hochherzigen Gönner der Stadt, zum Herrn Kommerzienrat Auerbach. Und dieser gab die 1000 M, als Gabe für das Heimatmuseum. Da kamen die alten Pergament- und anderen Urkunden, die alten Zinsregister und vieles andere an Schriftstücken in das Heimatmuseum nach Saalfeld.
Transkript: Reinhardt Müller, Eyba, 7.6.2020
Die Reihe der Schultheiße bzw. bürgermeister Eybas
Jahr | Name | wohnh. in heutiger Haus-Nr.: |
1554, 1565 | Hans Weyner (Wagner), der Wirt | 18, später 20 |
1593, 1602 | Georg Glaser | 21 |
1608, 1619 | Georg Wagner | 20, später 17 |
1641 | Hans Matthes | 28 |
bis 1649 | Hans Räthe | 20 |
bis 1659 | Georg Häußer | 28 |
1664, 1687 | Hans Ellmer | 20 |
1688-1707 | Hans Ratzenberger | 22 |
1708-1746 | Michael Ellmer | 20 |
1748, 1749 | Martin Ortloff | 29 |
1752-1760 | Hans Georg Ellmer | 20 |
1760-1778 | Hans Jakob Häußer | 25 |
1781-1806 | Johann Christoph Lutsche | 17 |
1806-1829 | Georg Heinrich Lutsche | 17 |
1829-1848 | Johann Georg Müller (der Chronist) | 21 |
1848-1851 | Christoph Häußer | 25 |
1851-1857 | Georg Nicol Bärschneider | 28 |
1857-1861 | Friedrich Lutsche | 30 |
1861-1867 | Friedrich Höfer | 22 |
1867-1869 | Hermann Weidermann | 9 |
1869-1881 | Karl Dietzel | 28 |
1881-1912 | Erwin Anemüller | 26 |
1912-1914 | Alfred Holzhey | 28 |
1914-1918 | Albert Häußer | 25 |
1919 | Alfred Holzhey | 28 |
1919-1923 | Albert Häußer | 25 |
1923-1924 | Hugo Wenzel | 9 |
1924-1927 | Arthur Blietsch | 31 |
1927-1935 | Hugo Wenzel | 9 |
1935-1943 | Willy Bärschneider | 19, später 40 |
1943-1945 | Albin Wohlfarth | 24 |
1945-1946 | Gustav Kästner | 29 |
1946-1952 | Sizzo Schöler | 31 |
1953 | Siegfried Voigt (kommissarisch) | 24 |
1953-1961 | Eduard Rudolf | 31 |
1961-1963 | Ruth Götz | wohnh.in Saalfeld |
1963-1970 | Hans Meinhardt | 8 |
1970-1976 | Barbara Schlegel | 29 |
1976-1981 | Manfred Luthardt | 4 |
1981-1985 | Jürgen Stellmacher | 4 |
1985-1986 | Simone Pfaff | wohnh.in Saalfeld |
1986 | Bernd Rische | 50 |
1986-2018 | Andrea Kühn | 19 |