Im Dreiklang vereint
Zwei neue Glocken für die Marienkirche in Eyba
Für das 170-Seelen-Dorf Eyba wird das Jahr 2024 wohl als historisch in die Geschichte eingehen. Erstmals wird das schon vor Jahrhunderten geplante Geläut der Marienkirche komplett sein und fortan in einem herrlichen Dreiklang ertönen. Am 26. Januar 2024 wurden dafür von der Glockengießerei Perner in Passau zwei neu Glocken gegossen.
Bis zum 1. Weltkrieg hatte Eyba bereits zwei Glocken: die große „Marienglocke“ von 1510 und eine kleinere Glocke, vermutlich aus dem 15. Jahrhundert. Sie wurde 1917 als „Kanonenfutter“ vom Turm geholt und zertrümmert. Auch die „Marienglocke“ sollte dieses Schicksal ereilen. Aber der damalige Eybaer Bürgermeister Albert Häußer, so ist es in der Chronik nachzulesen, konnte den vom Reichsheer beauftragten Beamten „mit gastralen und pekunialen Mitteln“ davon überzeugen, diese Glocke als „für Rüstungszwecke nicht geeignet“ zu erklären. Übrigens wurde die konfiszierte kleinere Glocke 1926 zwar ersetzt, aber im 2. Weltkrieg 1942 abermals weggeholt.
Der Glockenstuhl der Marienkirche war von Anfang an für drei Glocken ausgelegt. Er wurde nun statisch geprüft und ist nach einigen Instandsetzungsarbeiten bereit, alle drei Glocken sicher aufzunehmen. Die „Marienglocke“ wird wieder ein Joch aus Eiche statt des 1926 eingebauten Stahljoches und einen neuen Klöppel erhalten und dadurch ihren alten, „weicheren“ Klang zurückbekommen. Sie hat einen Durchmesser von 95 cm, wiegt ca. 500 kg und klingt auf dem Ton b′. Ihre neuen, kleineren Schwestern mit Durchmessern von ca. 68 cm bzw. 55 cm und einem Gewicht von 200 kg bzw. 88 kg klingen in den Tönen „d″ und g″.
Im Kirchturm befindet sich auch ein historisches Uhrwerk von 1779, das z.Z. von einem Uhrmachermeister repariert und vielleicht noch in diesem Jahr in Gang gesetzt wird.
Am Samstag, dem 13. Juli 2024 feiert Eyba die Ankunft der neuen Glocken gebührend mit einem Glockenfest. Es beginnt um 14.00 Uhr mit einer Andacht vor der Kirche und geht anschließend weiter im Festzelt vor dem Feuerwehrhaus. Für das leibliche Wohl wird bestens gesorgt sein. Natürlich werden auch die neuen Glocken zu sehen und vielleicht auch schonmal zu hören sein.
Reinhardt Müller
Auszüge aus der Eybaer Chronik (Chronist: Lehrer Gustav Eichhorn)
17.6.1917
Heute abend werden unsere lieben Kirchenglocken zum letzten Male zusammen klingen. Morgen in der Frühe wird eine davon zerschlagen und fortgeschafft. Ehe dieser Krieg freilich alle wird, wird auch die andere noch dran glauben müssen. Und auch die übrigen Zinnpfeifen in der Orgel, voraussichtlich auch der Organist. (Anm.: G. Eichhorn war Organist)
Die Glocke muß fort! Krieg ist verloren!
Am Sonntage den 17. Juni 1917 wurde es den Eybaern zur unumstößlichen Gewißheit, daß der Krieg verloren sei. Am Abende fand nämlich der Abschiedsgottesdienst für unsere zweite Glocke statt. Vor Beginn der Andacht läuteten sie noch einmal zusammen. Da sahe man Leute zur Kirche gehen, die man viele viele Jahre nicht dort gesehen hatte. Das Trostlied, welches der Pfarrer gewählt hatte, „Warum sollt ich mich denn grämen“, klang wie Hohn und die Trostrede, die die Sache etwas leicht nahm, zündete nicht in dem Segen. Nach beendigtem Gottesdienste wurde(n) beide Glocken nocheinmal, zum letzten Male, in einem langen Geläut zusammen geläutet. Die Kirchgänger standen dabei auf dem Friedhofe. Eins sah dem anderen ins Gesicht und den Männern, grau und alt, liefen die Tränen über die Wangen.
(Bei den ersten Siegen -wir erfuhren sie meist erst einen Tag später- war der Geistliche jedesmal zum Läuter, dem Schmied Ernst Bergner, geeilt und hatte Siegesgeläut angeordnet. Das ließen sich hier die Leute nicht lange gefallen. Sie sprachen: „Jedesmal denkt man bei diesem Geläute, jetzt liegt unser Junge draußen tot oder verwundet ohne Hilfe!“ Sie sagten dem Schmied, „es wird nicht wieder geläutet“)
18.6.1917
Morgens 7 Uhr fiel der Hammerschlag, der unsere kleine Glocke zertrümmerte. Der Scharfrichter, der die Unschuldige hinrichtete, besah sich die Masse und meinte, sie enthalte viel Silber, so eine würden wir nicht wieder erhalten. Das glauben wir alle. Wir werden so manches nicht so wieder erhalten. Am Sonntag Abend fand eine kurze Andacht statt zum Abschiede. Da sagte der Prediger u.a. der Dreißigjährige Krieg habe so lange gedauert und habe den Ort fast vernichtet, aber die Glocken habe er doch verschont.
22.6.1917
Dem derzeitigen Schultheiß gebührt das Verdienst, unserem Dorfe die alte große schöne Glocke erhalten zu haben, da anders der Beauftragte, ein Angestellter einer Apoldaer Glockengießerei, diese und nicht die kleine genommen hätte. Aber dem eifrigen Bitten des Herrn Albert Häußer, der seinen Bitten einen gastralen und einen pekunialen Nachdruck gab, gelang es, den Mann umzustimmen.
23.6.1917
Gestern nun hat der Vorgenannte (Albert Häußer) die zerschlagene kleine Glocke in einen Sack gesteckt und sie auf einem Handwagen nach Rudolstadt zur Ablieferung gefahren. Sie hat 117 Kilogramm gewogen.
27.6.1917
Heute hat die Schmieds Anna die Prospektpfeifen in einen Sack gesteckt und nach Leutenberg geschafft, sie wogen 26 Kg.
1926
Im Frühjahr 1926 machte er (Anm.: Pfr. Hohlweg aus Hoheneiche, welcher zu der Zeit als Vakanzverwalter für Eyba zuständig war) ) den Vorschlag, die fehlende 2. Glocke zu ersetzen. Der Kirchenvorstand willigte nicht nur ein, sondern ging noch darüber hinaus und beschloß für die neue Glocke und auch für die alte das Patentläutesystem anzuschaffen, damit ein zweiter Läuter erspart würde. Der Auftrag wurde der Firma Franz Schilling Sohn in Apolda erteilt. Am 14. Mai ist die neue Glocke gegossen worden. Am 22. Mai kam sie in Eyba an und wurde aufgehängt. Am 6. Juni war in der festlich geschmückten Kirche Glockenweihe, aber auch zugleich Abschiedspredigt des Pfarrers Hohlweg. Kurz vorher bei einer Beerdigung wurden die beiden Glocken zum ersten Male zusammen geläutet. Da gab es für die Eybaer eine unangenehme Überraschung. Weder die neue Glocke, noch das neue Läutesystem befriedigten. Die neue Glocke hat den Ton d und müßte zum Ton b der alten Glocke gut klingen. Aber das d hat einen kurz abgerissenen, scharfen Klang ohne Fülle und sticht sehr ab gegen den Wohlklang der alten Glocke. Das neue Läutesystem erspart zwar einen zweiten Läuter, läßt aber nicht das feierlich langsame Läuten zu, wie wir es von früher her gewohnt waren.
Die neue Glocke wiegt 212 Kilogramm und kostet 593 M 60 Pf, nämlich pro kg 2,80 M. Die beiden neuen Aufhängungen kosten 350 Mark. Nachstehend eine Aufstellung der Gesamtkosten und ihrer Aufbringung:
Ausgabe 1041,15
Glocke 593,60; 2 Läutesystem 350,00; Fracht bis Saalfeld 10,85; Fracht bis Eyba 8,00; dem Monteur 42,00; dem Zimmermann 20,50; dem Hilfsarbeieter 16,20
Einnahme 1041,15
Tellersamml. Familienabend 46,50; Erste Haussammlung 341,00; Zweite 200,00; Zuschuß der Gemeindekasse 100,00; Zuschuß der Landeskirchkasse 100,00, Ortskirchkasse 253,15
1942
Über die Abgabe der 1926 gegossenen Glocke gibt es keine Aufzeichnungen. Der Ortschronist Gustav Eichhorn wohnte nicht mehr in Eyba und sein Nachfolger, Otto Müller, noch nicht.
(Transskript: R. Müller Juni 2024)